Wie Pferde aufhören zu sprechen, weil der Mensch nie gelernt hat, hinzusehen.

Alle kennen die Geschichten von Black Beauty, Spirit, Ostwind oder den etlichen weiteren Pferden, welche ihren einen Menschen gefunden haben - sie verstehen und vertrauen sich blind, gehen durch dick und dünn, sie schützen sich gegenseitig und wagen jedes Abenteuer. Ist es nicht das was wir uns alle wünschen? Die Idee von unserem eigenen Pferd? Ein Band so stark, dass niemand es zerreißen könnte? War das nicht die ursprüngliche Vorstellung vom eigenen Pferd? 

Und doch gibt es unzählige Beispiele in allen Ställen, in Alltagssituationen, überall, wo Pferde von ihren Menschen beschimpft werden, als zickig oder bockig betitelt, geschlagen oder gestoßen werden, weil sie nicht still stehen. Das Pferd das am anbinden mit dem Kopf schlägt, weil es fliegen abwehren will, wird gemaßregelt es solle still stehen. Das Pferd das den Huf beim bearbeiten nicht so lange oben halten kann, weil es vielleicht eine Verspannung hat, wird beschimpft, es soll sich jetzt nicht so anstellen. Das Pferd das seine Menschen brav durch die Reitstunden trägt und einfach keine Kraft mehr hat, weil es vielleicht gestresst oder unterversorgt ist, wird mit Gerte und Sporen gerieben, damit es läuft. Dem Pferd das sich widersetzt wird mit den Zügeln im Maul gerissen. 

Ich denke alle von uns kennen auch diese Momente im Stall, auf dem Hof, in der Reithalle. 

Warum ist das so? Wie würde aus der kindlichen Vision von einer echten wahren tiefen und unzerstörbaren Partnerschaft die Realität eines Reiters, der sein Pferd verkauft, weil es neuerdings nicht mehr die Dressur sein soll, sondern das Springen? Und das besagte Herzenspferd zum springen nicht geeignet ist... 

Wann wurde aus der Vision des Partners Pferd ein Dominanzkampf? Wann wurde aus Freude und Leichtigkeit Wut und Ärger? 

Es gibt dafür keine echte Begründung. Wir sind alle dafür selbst verantwortlich, Leichtigkeit, Spaß und Freude in unseren Beziehungen, auch zu unseren Pferden, zu leben. Die Pferde sind nie unsere Gegner gewesen und werden es nie sein. Sie sind so fein, so ehrlich, sanft, freundlich. Wir können uns alle glücklich schätzen wenn ein Pferd uns sein Vertrauen schenkt, mit uns zusammen geht, unsere Launen erträgt, uns sieht und uns wachsen lässt. Wie sollte einem einfallen, dass es uns etwas böses will? Es aus böser Absicht bockt oder den Huf wegzieht, um uns zu ärgern? 

Pferde leben im Moment. Und sie können nun Mal nicht in Menschensprache mit uns sprechen. Aber sie sprechen dennoch mit uns - zu jeder Zeit, mit jeder Faser ihres Körpers. Das subtile wegschauen, wenn wir herantreten und es berühren wollen, das Bein wegziehen, ein Zucken mit der Haut, das umdrehen, in eine bestimmte Richtung starren, sich in unseren Weg stellen. All das ist die Art der Pferde mit uns zu kommunizieren. Es ist ihre Sprache. Sie können keine andere. Und wenn wir ganz ehrlich sind, dann wissen wir aus den Filmen bereits, dass WIR IHRE Sprache lernen müssen, um diese einmalige tiefe Verbindung zu erleben. Anders geht es nicht. 

Manche Pferde haben aufgehört sich ihrem Menschen mitzuteilen, weil sie gelernt haben, übergangen zu werden. Nicht gesehen, nicht gehört. Ein Körper ohne Seele. Sie stehen da, wirken brav, lassen sich streicheln und reiten und putzen und verladen, aber es ist kein Herz mehr da. Keine Energie. Andere Pferde wehren sich, wenn ihnen nicht zugehört wird. Sie Buckeln beim reiten, weil ihnen etwas wehtut. Sie schlagen aus, weil sie es nicht mögen wie eine Puppe behandelt zu werden. Sie wollen einfach gesehen und gehört werden. Beide Pferde haben gelernt, dass der Mensch sie nicht hört. Ihre Kommunikation übergeht, ignoriert, auch wenn es vom Menschen nicht unbedingt vollkommen absichtlich passiert, sondern weil er es nicht besser weiss und das Umfeld genauso hart agiert. Dann wird das Brave Pferd schnell zum Liebling und das bockende zum sturen Esel, der vermutlich auch bald verkauft wird und eine lange elendige reise als Wanderpokal antritt. Und doch wissen wir tief im Herzen, dass hier etwas nicht stimmt. Wir fühlen es, aber können es nicht betiteln. Wir wünschen es uns anders, aber auch unser Umfeld suggeriert uns die Geschichte vom braven und vom bockigen Pferd. 

Dabei wäre es ein leichtes, einfach mal wirklich hinzusehen. Das Pferd ansehen. Inne halten. Die Verbindung zulassen, spüren, halten. Still werden. Denn wenn der Mensch still wird, fängt das Pferd an zu sprechen. Und es fängt an, uns zu erzählen, wie es sich fühlt, was es braucht. Es fängt an sich zu zeigen. Und das ist es, was Verbindung ausmacht. Gesehen werden, angenommen werden. Und dann entstehen die schönsten Dinge, die größten Kräfte, die vollste Schönheit, wahre Größe und Präsenz. Hast du wirklich ein Pferd als Freund, arbeitet es mit dir, egal welche Aufgabe vor euch liegt. 

So eine Verbindung aufzubauen braucht Zeit und Geduld, Einsicht, Erkenntnis. Oft geht man durch die dunkelsten Täler und die tiefsten Sümpfe, aber dann gelangt man zu diesen Momenten, die vollkommen sind, wahres Glück bedeuten, pure Freude fühlen lassen. Wie im Film. Doch in Echt. 

 


0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar